Unser Menschenbild, wenn das Gesetz unerreichbar ist

© Heino Weidmann Hat Gott wirklich? gesagt – 95ThesenTeil2.de zu deinem Sieg über die Sünde durch Jesus Christus, Teil 3  Gesamtbiblische Betrachtungen – Das Gesetz Gottes – Unser Menschenbild, wenn das Gesetz unerreichbar ist, epubli.de, 2021.

Unser Menschenbild, wenn das Gesetz unerreichbar ist

Ein Mensch, der etwas Neues schaffen will, gilt meist als verrückt.
Bis er es schafft.

Der Mensch will bemannt zum Mars fliegen. Plötzliche Sonnenstürme machen es noch unmöglich. Sie würden die Astronauten auf dem Weg durch ihre überstarke Strahlung töten. Solange kein Schutz gefunden wird:
Fehlanzeige.

So geht es auch Israel: Sie haben das Gesetz Gottes. Sie haben sich auf die Reise gemacht, es zu erfüllen. Schon seit über 3000 Jahren. Und sie scheitern. Zu starker Gegenwind durch ihre eigene Natur. Gott wusste das schon vorher. Ein neues Herz muss vorher her, bevor Israel, bevor jeder Mensch das Gesetz Gottes tun kann.

Aber halt! Wir Christen stehen doch im neuen Bund. Wir haben, was Israel nicht hatte: Ein neues Herz. Meinen wir. Erleben wir auch. Da ist ein großer Unterschied zu früher, als wir Gott noch nicht kannten. Und zu Israel. Doch wirklich? Israel sündigte fortwährend als Volk. Einzelne waren Gott treu. Und wie sieht es bei uns Christen aus? Wir rühmen uns Gottes wie Israel in Römer 2+3. Wir sagen: Wir sind frei! Doch sind wir das? Sehen wir uns um. Wie leben wir denn als Christen. Haben wir mehr Sieg über die Sünde als Israel? In unserer Theologie jedenfalls nicht. Da heißt es: Wir sind alle – nur – begnadete Sünder. Wir sind nicht besser als andere. Wir sind nur besser dran. Wir werden nie das hohe Gesetz Gottes ganz erreichen, höchstens punktuell. Die Lebensstürme werden uns immer wieder ernüchtern und auf den Boden der Tatsachen zurückwerfen. Wir wachsen im Glauben und in der Erkenntnis – sagen wir. Und tun wir auch. Doch am Ende ist das Gesetz Gottes wieder und weiter so unerreichbar fern – wie der Mars vom menschlichen Fuß im Jahr 2021.

Wir sagen aber auch: Wir haben, was Israel nicht hat! Doch wehe dem, der sagt, dass er hat, was Israel nicht hat und es auch noch ernst meint. Wehe dem, der sagt: Mit dem neuen Herz, da geht´s! Da kann ich das Gesetz Gottes halten! Ein solcher Mensch ist ein – moderner – christlicher Ketzer. Und als solcher wird er abgeurteilt.

Wir Christen sind schizophren. Wir rühmen uns gegenüber Israel, zum Mars reisen zu können. Aber wenn dann jemand dann tatsächlich zum Mars reisen will, dann sagen wir:
Halt, stopp, viel zu gefährlich, unmöglich! Das geht nicht!

Welches Menschenbild haben wir denn als Christen in unserer Theologie? Unsere theoretische Obertheologie sagt. Wir sind frei! Jesus hat die Sünde besiegt! Er lebt in mir. Doch die Volkstheologie sagt, und auf die kommt es an:

Wir sündigen wie die Jünger Jesu zu seinen Lebzeiten, wir streiten wie die Zwölf (Lk 22, 12), wir nehmen unseren Mund zu voll, ganz wie Kephas (Mt 26, 35), wir haben Jesus nicht erkannt, obwohl wir jahrelang mit ihm leben wie Philippus (Joh 14, 9). Wir wollen die höchsten Positionen als Minister, wie Johannes und Jakobus (Mk 10, 35ff). Wir sind überfordert mit den Nöten dieser Welt wie die neun (Mt 10, 17), die nicht mit Jesus auf den Berg stiegen. Wir bleiben im Boot sitzen, wie die Elf (Mt 14, 29). Wir sind wie Thomas und auch alle Zwölf, die Jesus wegen unseres Unglaubens schilt, auch nach seiner Auferstehung (Joh 10, 28ff; Lk 24, 38).
Im Großen und Ganzen benehmen wir uns – auch als evangelikale Christen, wie die Jünger Jesu zu Lebzeiten Jesu. Mit wenigen Ausnahmen.
Und dass unser Verhalten nur so sein kann und wird, das ist unsere wirkliche Theologie. Der Mensch und Christ ist und bleibt schwach, auch wenn er bei Jesus ist. Auch wenn wir von der Theorie her anderes behaupten. Wir meinen, wir können nur wie Simson sein, ständig unrein und kraftlos mit abgeschnittenen Haaren. Da ist keiner, der sagt: Mit Christus in dir, da geht das! Da kannst du über die Stürme deiner alten Natur in dir schreiten. Mit den Flammen des Heiligen Geistes auf dir, da bist du ein anderer, ein Überwinder. Im Heiligen Geist, da sind wir zu allem fähig – so wie die Jünger nach Pfingsten. Heiliges Leben der Liebe und Vollmacht ist möglich, wie in der ersten Gemeinde. Das ist nicht unsere Alltagstheologie!

In unserer Theologie ist der Christ schwach, wie jeder andere Mensch. Eben nicht wie Mose auf dem Berg Gottes, Simson vor seinem Fall, wie David vor Goliath und vor der Bundeslade und wie Elia auf dem Karmel. Wir sind wie Israel, das nach beiden Seiten hinkt. Ein bisschen Gott, ein bisschen Welt, nichts Halbes und nichts Ganzes. Und daher nichtig und kraftlos vor Gott. Und wenn ganz Gott, dann der Gott der Liebe und der vergibt. Nicht der Gott, der heilig ist und keine einzige Sünde in seiner Gegenwart ertragen kann. Nicht der Gott, der bevollmächtigt und der Kraft gibt. Nicht der Gott, der die Sünde in unserer Gesellschaft anprangert und bloßstellt. Nicht ein Gott, der zuvor schwache und selbst sündige Menschen ihr Haupt erheben und religiösen Heuchlern zurufen lässt: Ihr seid schuldig vor Gott! und Gott hat Christus auferweckt! und Mir hat Gott den Heiligen Geist gegeben im Gegensatz zu euch, denn ich gehorche Gott – im Gegensatz zu euch! und Ihr Unbeschnittenen an Ohren und Herzen, immer wiederstrebt ihr Gott! (Apg 2-7). Starke Worte, denen starke Taten folgten.

In unserer theoretischen Theologie sind wir wie die Jünger nach Pfingsten. Aber in Wahrheit predigen und leben wir nur ein christliches Leben wie die Jünger vor Pfingsten. Alles andere wäre Blasphemie.

Wir haben eine Theologie, des schwachen, unbevollmächtigten Christen, für den das Gesetz Gottes unerreichbar ist. Und wird es nicht bestätigt durch die Briefe im neuen Testament? So viel Sünde bei den Korinthern, soviel Unkenntnis Gottes, soviel Fleischlichkeit. So viel Verzweiflung über unsere Unfähigkeit durch geistliche Impotenz wie in Römer 7. Soviel Sünde in und außerhalb der Gemeinde wie im Umfeld des Jakobus. Da finden wir uns wieder, das ist unsere Welt.

Doch halt: war da nicht noch was? Wo sind die, die mit Paulus sprechen, dass sie mit Christus in ihrer Schwäche alles vermögen (Phil 4, 13)? Dass sie IN ALLEM und WEIT überwinden durch den, der sie geliebt hat (Röm 8, 37)? Dass sie wie Christus es fordert, Gottes Gebote so halten, genauso wie Christus sie gehalten hat (Joh 15, 9-17)? Wer ist sich bewusst, dass er ALLES hat, was er braucht, um so zu leben, wie Gott es will (2 Petr 1, 3), dass er durch die allerteuersten Verheißungen der göttlichen Natur teilhaftig wurde (2 Petr 1, 4) und in seinem ganzen Wandel so heilig lebt, wie der, der ihn berufen hat heilig ist (1 Petr 1, 15)? Wer ist davon überzeugt, dass er – noch in diesem Leben – völlig geheiligt und gereinigt werden kann (1 Thess 5, 23-24; 2 Kor 7, 1), dass alle seine Gebete im Namen Jesu erhört werden (Joh 14, 13-14), und dass er die gleichen, ja größeren Werke als Christus tun kann (Joh 14, 12)?

Wir erleben nur Schwäche, glauben nur Schwäche und erfahren nur Schwäche. Das Gesetz Gottes ist unerreichbar. Das ist unser wahres Menschenbild als Christen.

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