Paulus, der erste unter den Sündern

© Heino Weidmann Hat Gott wirklich? gesagt – 95ThesenTeil2.de zu deinem Sieg über die Sünde durch Jesus Christus, Teil 2  Zusammenfassung Neues Testament – Paulus, der erste unter den Sündern, epubli.de, 2021.

Paulus, der erste unter den Sündern

Wörtlich sagt Paulus in 1 Tim 1, 15 von sich, er sei der „erste“ (πρῶτος, prōtos17) unter allen Sündern. Nach Strong ist prōtos ein Superlativ und kann der „Erste“ in Bedeutung, Reihenfolge oder Ort bedeuten.

Je nach Übersetzung gibt es dann folgende Möglichkeiten:

  • Paulus war der größte Sünder zum Zeitpunkt seiner Bekehrung gemessen an der Schwere seiner Sünde. Denn Paulus hatte bis zu diesem Zeitpunkt die Gemeinde Gottes verfolgt. Dann würde der Schwerpunkt darauf liegen, aus welchen Tiefen des Sünderseins Christus erretten kann und jedem Menschen Mut machen, dass auch er so gerettet werden kann wie Paulus, egal wie tief er in Sünden verstrickt ist.
  • Paulus war zeitlich gesehen der erste, an dem Christus seine Sünder-verändernde Gnade in ganzer Fülle zeigte. Denn Christus hatte zwar schon vor Paulus viele Sünder verändert. Aber Paulus wäre dann der erste, den Jesus richtig als umfassendes Beispiel gebrauchen will. Das würde dann heißen, dass der Schwerpunkt auf dem Lebenswerk des Paulus liegt in allen seinen Nuancen und Schattierungen. Alle anderen Beispiele von Menschen, die durch Christus verändert wurden, wären dann vielleicht genauso gut, aber nicht genauso vollständig in Gottes Wort beschrieben. Das heißt, bei Paulus beleuchtet Christus systematisch alle Lebensbereiche, damit die ganze Fülle der Möglichkeiten seiner Gnade deutlich und sichtbar wird.
  • Paulus war der bedeutendste Sünder als Vorzeigebeispiel Christi
    Wie bei 2) geht es dann um die Wichtigkeit des Paulus als Beispiel für uns.
  • Paulus beging aktuell schlimmere Sünden als jeder andere Christ
    Dann müssten wir davon irgendwo erfahren. Solche Sünden wären nicht verborgen geblieben und Paulus hätte offen davon geschrieben, denn er ist von Christus ja zum Vorbild für alle anderen Menschen eingesetzt worden.
  • Paulus empfand sich seiner augenblicklichen subjektiven Wahrnehmung nach als größter Sünder. Aufgrund seiner hohen Kenntnis des Wortes Gottes, seiner großen Verantwortung es zu lehren und seines Versagens darin, empfand sich Paulus als der erste Sünder zur Zeit der Abfassung des ersten Timotheusbriefes. Viel Gotteserkenntnis bewirkt viel Selbsterkenntnis und Verantwortung. Und gemessen daran wäre Paulus dann trotz seines vorbildhaften Lebenswandels aufgrund seines Zukurzkommens vor Gott in seinen eigenen Augen der größte Sünder.
    Wenn das so ist, dann müssten wir in den Schriften des Paulus irgendwo von seinem Leiden an dieser Spannung erfahren. Und wir müssten Hinweise darauf finden, woran es lag, dass Paulus so viel Sünde in seinem Leben sah, dass er sich für den größten Sünder hielt.

Der direkte Kontext dieses Verses favorisiert Erklärungen 1) – 3): Ja, Paulus WAR ein ganz schlimmer Sünder. Aber Jesus zeigt durch Paulus als Beispiel, was seine Gnade aus einem Sünder machen kann. Diese Sicht wird unterstützt von Vers 16, in dem Paulus das gleiche Wort „erste“ zum zweiten Mal verwendet und wieder auf sich bezieht, diesmal nicht auf seine Bekehrung oder sein Sündersein, sondern auf seine Vorbildfunktion für alle Christen durch Jesus Christus. Das zeigt: Paulus betrachtet sich augenblicklich nicht mehr als Sünder, sondern als Vorbild, sogar als erstes umfassende Vorbild Christi. Diese Sicht wird auch unterstützt von der Untersuchung aller Briefanreden des Paulus an seine Gemeinden im Kapitel Christus, der Vater und wir – Gerechte und Heilige in Teil 3. Dort sehen wir, dass Paulus nur Unbekehrte als Sünder anspricht, Bekehrte immer nur als Heilige, Gerechte oder Geliebte etc. Wenn Paulus sich hier treu bleibt – und es gibt keinen textlichen Grund das in Frage zu stellen – dann bezieht sich das Sündersein des Paulus auf den Zeitpunkt seiner Bekehrung, und nicht auf seinen augenblicklichen Zustand.

Doch denken wir auch die Möglichkeiten 4) und 5) durch, auch wenn sie textlich nicht die naheliegendste Auslegungen sind. Wenn sie zutreffen, sieht Paulus sich jetzt zum Zeitpunkt seines Schreibens als größter Sünder in der Welt. Die Klärung dieser Frage ist von entscheidender Bedeutung für unsere Untersuchung innerhalb dieses Buches. Können wir als Christen Sieg in unserem geistlichen Leben haben oder nicht? Sündigt Paulus weiterhin grob oder fein? Erlebt sich Paulus als Sünder, der ständig an den hohen Anforderungen Gottes scheitert und einsehen muss, dass er ihnen nicht genügt? Besteht die wahre Demut jedes Christen darin, sich selbst als größten Sünder zu sehen? Wenn das größte (biblisch aufgezeichnete) Vorbild, das uns Jesus Christus nach sich selbst gegeben hat, auch nach vielen Jahren im Glauben an seinem Sündersein leidet, welche Hoffnung hätten wir dann, anders zu leben? Zur Klärung dieser Frage wollen wir uns die Berichte über Paulus und sein Selbstzeugnis in den neutestamentlichen Briefen genauer ansehen.

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